News Sind EDoF-Linsen auch bei grauem Star und Makulaerkrankungen zu empfehlen?
In einer neuen Übersichtsarbeit wurde die Frage untersucht, ob Intraokularlinsen mit erweiterter Tiefenschärfe (EDoF-IOL) auch bei Menschen eingesetzt werden sollten, die unter grauem Star und einer Makulaerkrankung leiden.1 Dafür wurde eine Literaturrecherche und eine Umfrage unter Komiteemitgliedern der European Society of Refractive Surgeons (ESCRS) durchgeführt. Dr. Detlev R.H. Breyer hat die Publikation initiiert und mit verfasst. Er implantiert und erforscht EDoF-Linsen seit rund 15 Jahren.
Wie sich in der Literaturanalyse zeigte, gibt es zunehmend Evidenz für den potenziellen Nutzen von EDoF-IOLs bei ausgewählten Patienten mit leichter bis mittelschwerer Makulaerkrankung, auch wenn weiterhin Bedenken bestehen. Die Umfrage ergab, dass 59 Prozent der Befragten die EDoF-IOL-Implantation bei dieser Patientengruppe für „einen Versuch wert“ hielten.
Grauer Star und Makulaerkrankungen
Ist Brillenunabhängigkeit trotz Makulaerkrankung möglich?
Immer mehr Menschen mit einem grauem Star, die sich für eine Linsenoperation entscheiden, wünschen sich nach dem Eingriff Unabhängigkeit von Lese- oder Gleitsichtbrille. Um die Kataraktoperation zu planen und eine geeignete Linse auswählen zu können, werden vorher diverse Untersuchungen vom Vorderabschnitt bis hin zu Netzhaut, Makula und Sehnerv durchgeführt. Wird dabei eine Makulaerkrankung im frühen oder mittleren Stadium diagnostiziert, stellt sich für den behandelnden Augenchirurgen die Frage, welche Intraokularlinse infrage kommt. Sind die in den letzten Jahren eingeführten Intraokularlinsen mit erweiterter Schärfentiefe (Extended Depth of Focus, EDoF) und refraktiver Optik möglicherweise auch eine Option für diese Patientengruppen?
Während nur 7,4 % der befragten erfahrenen Chirurgen angaben, EDoF-IOLs bei Patienten mit Makulopathie routinemäßig zu implantieren, gaben immerhin 37 % an, diesen Eingriff zumindest gelegentlich durchzuführen.
Makulaerkrankungen
Paradigmenwechsel bei der Linsenwahl
In der Vergangenheit galten klassische Multifokallinsen als eher ungeeignet für Patienten mit Makulaerkrankungen. Aufgrund der Unterschiede in den optischen Eigenschaften sind Spezialisten für Refraktive Chirurgie zunehmend der Ansicht, dass sich diese Einschätzung nicht ohne weiteres auf EDoF-Linsen übertragen lässt.
Im Gegensatz zu klassischen Multifokallinsen (MIOL) mit diffraktiver Optik, die das Licht auf mehrere Fokuspunkte aufteilen, bieten EDoF-IOL mit refraktiver Optik einen kontinuierlichen Sehbereich über mehrere Fokuspunkte hinweg – ohne das Licht aufzuteilen. Dadurch werden Kontraste und Farben intensiver wahrgenommen. Blendeffekte kommen hingegen seltener vor als bei klassischen MIOL.
Diese optischen Eigenschaften von EDoF-Linsen und ihre Unterschiede gegenüber klassischen MIOL können – so die Autoren – auch für Menschen mit frühen und mittleren Makulaerkrankungen vorteilhaft sein. Allerdings sei ihr Einsatz bisher noch nicht ausreichend erforscht.
Die Autoren haben die vorhandene Literatur in Bezug auf den Einsatz von refraktiven EDoF-IOL im Zusammenhang mit Makulaerkrankungen analysiert und wichtige Aspekte herausgearbeitet, die bei der Auswahl geeigneter Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden sollten. Dazu gehören unter anderem:
Stadium und Progressionsrate der Makulaerkrankung
Vorliegen von diabetischen Augenerkrankungen
Sehfähigkeit unter verschiedenen Lichtverhältnissen
Erwartung an den Seheindruck nach der Operation
Gewöhnung an den Seheindruck mit einer EDoF-IOL
Insbesondere die Fähigkeit des Gehirns, sich an den neuen Seheindruck zu gewöhnen, die sog. Neuroadaptation, kann auch Menschen mit Makulaerkrankungen zu besserer Sehqualität verhelfen. Dabei ist die Erwartung an das Sehergebnis nach der Operation vor dem Hintergrund der Makulaerkrankung im Vorfeld offen zu besprechen.
Interessanterweise wurden Speziallinsen, die für Makulaerkrankungen entwickelt wurden, in der Literatur nicht durchweg positiv bewertet, weil die Gewöhnung an diese vergrößernden Linsen sich für manche Patienten als schwierig herausstellte. Auch für die Diagnostik des Auges nach der Implantation stellten diese Linsen eine Herausforderung dar.